Montag, 5. November 2007
Interview mit Dinosaurierforscher Alexander Lukenender
Dr. Alexander Lukeneder
Interview mit Dr. Alexander Lukeneder, Kurator für die Mesozoische Sammlung am Naturhistorischen Museum Wien, Spezialist für das Erdmittelalter (Mesozoikum) und (zusammen mit der Pädagogin Helga Gridling) Autor des neuen Buches “Akte Dinosaurier – den Riesenechsen auf der Spur“ (Seifert Verlag)
http://www.nhm-wien.ac.at/Content.Node/forschung/geologie/mitarbeiter/lukeneder_alexander.html
Buch "Akte Dinosaurier"
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Frage: Herr Dr. Lukeneder, ist der 1841 von dem Londoner Paläontologen Richard Owen geprägte Begriff Dinosaurier (Dinosauria) – zu deutsch: „schreckliche Echsen“ – aus heutiger Sicht noch eine gute Wortwahl?
Antwort: Aus heutiger Sicht nicht. Schrecklich sollte im Zusammenhang mit Lebewesen generell vermieden werden. Unter Echsen stellt sich der Normalbürger natürlich auch etwas anderes vor.
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Frage: Dinosaurier sollen von der Triaszeit vor etwa 230 Millionen Jahren bis zum Ende der Kreidezeit vor etwa 65 Millionen Jahren existiert haben. Ist dies unumstößlich?
Antwort: Das ist die heute gängige wissenschaftliche Meinung. Am Zeitpunkt des Beginns kann sich möglicherweise noch etwas verändern. Das Ende war aber mit Sicherheit vor 65 Millionen Jahren.
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Frage: Wie viele Dinosauriergattungen und -arten sind bereits weltweit entdeckt worden?
Antwort: Etwa 730 verschiedene Dinosaurierarten sind bis heute entdeckt worden.
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Frage: Gibt es Schätzungen, wie viele Dinosauriergattungen und -arten insgesamt existierten?
Antwort: Man schätzt, dass bis heute etwa ein Drittel der Dinosaurierarten entdeckt wurde, was für eine Gesamtzahl von etwa 2200 Dinoarten sprechen könnte.
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Frage: Lebten die Dinosaurier nur an Land oder haben sich manche Gattungen auch im Wasser aufgehalten oder sogar den Luftraum erobert?
Antwort: Die Dinosaurier lebten nur auf dem Festland! Vorsicht! Nicht mit dem Ausdruck Saurier verwechseln. Dieser inkludiert auch Fisch- und Flugsaurier. Echte Dinosaurier sind eigentlich nur die Vogel- (Ornithischia) und Echsenbeckendinosaurier (Saurischia).
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Frage: Welche pflanzenfressenden und räuberischen Dinosaurier gelten heute als die größten und schwersten?
Antwort: Argentinosaurus war mit etwa 45 Meter Länge und einem Gewicht von rund 80 Tonnen der schwerste Pflanzenfresser. Der größte Europäer war wahrscheinlich Turiasaurus mit 30 Meter Länge und etwa 50 Tonnen Gewicht. Die größten Fleischfresser waren Spinosaurus mit 17 Meter Länge und 9 Tonnen Gewicht sowie Giganotosaurus mit 13 Meter Länge und 8 Tonnen Gewicht.
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Frage: Wie kam dieses Größenwachstum zustande?
Antwort: Dazu brauchte es mehrere Faktoren. Zur Zeit des Erdmittelalters dürfte es wärmer gewesen sein. Dies bewirkte ein Mehr an Pflanzenwuchs. Die Riesenechsen fanden so genügend Nahrung und konnten diese durch ein besonderes Verdauungssystem besser spalten und verwerten. Nach heutigen Untersuchungen hatten die Schachtelhalme und Farne auch einen größeren Nährwert als diese heutige Pflanzen haben. Hohle Knochen und Luftsacksysteme in den Hälsen führten zu einer Leichtbauweise und erlaubten solch gigantisches Wachstum. Durch die enorme Größe gab es auch keine Feinde mehr. „Survival of the fattest“ nennen wir das in der Wissenschaft in Anlehnung an „Survival of the fittest“.
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Frage: Welche Dinosaurier waren besonders klein und leicht?
Antwort: Microraptor gui und Microraptor zhaoianus aus der Gruppe der Dromaeosaurier waren etwa 30 Zentimeter hoch und wogen etwa 400 Gramm.
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Frage: Welche besonderen Fähigkeiten hatten Dinosaurier?
Antwort: Sie trugen die Beine bereits unter dem Körper. Diese Beinstellung erlaubte, wenn nötig, ein schnelles Laufen. Die Dinosaurier waren in ihrer Gesamtheit Allesfresser. Die Kombination aus Beweglichkeit und Ernährungsanpassung führte zum Siegeszug und sie erschlossen sich weltweit unterschiedlichste Lebensräume.
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Ort des Impaktes zur Kreide/Tertiär-Grenze vor etwa 65 Millionen Jahren
Frage: Was hat nach Ihrer Ansicht das Aussterben der Dinosaurier gegen Ende der Kreidezeit vor etwa 65 Millionen Jahren ausgelöst?
Antwort: Ein mehrphasiges Ereignis. Hunderttausende Jahre vor der Kreide/Tertiär-Grenze gab es schon extremen Vulkanismus (Deccan Traps in Indien). Die damit ausgestoßenen Gifte und Gase vergifteten die Atmosphäre. Die Dinosaurier waren schon geschwächt, viele Arten starben schon lange vor der Kreide/Tertiär-Grenze aus. Die wenigen Dinosauriergruppen, die noch überlebt hatten, befanden sich unter enormem Stress und Umweltdruck. Durch Gifte (Arsen) konnten die Eischalen zu dick geworden sein und durch veränderte Temperaturen nur noch Tiere eines Geschlechts (beispielsweise Krokodile) geschlüpft sein!? Die Geschichte der Dinosaurier fand jedoch durch eine Katastrophe von Außen ihr plötzliches Ende. Nach heutigem Stand dürften im Abstand von etwa 300 000 Jahren zwei Meteorite von 10 bis 20 Kilometern Durchmesser auf der Erde eingeschlagen sein. Die dadurch ausgelösten, globalen Katastrophen löschten durch Flutwellen, Druckwellen, Feuerwalzen, Gift- und Ascheregen, Lichtverlust und das Absterben der Pflanzen und somit dem Zusammenbruch der Nahrungsketten die Dinosaurier aus.
Die Einschlagstelle eines dieser Meteoriten konnte schon auf der Halbinsel Yucatan (Mexiko) gefunden werde: Chicxulub Krater (180 Kilometer Durchmesser).
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Frage: Hätte sich der Mensch entwickeln können, wenn die Dinosaurier nicht ausgestorben wären?
Antwort: Schwierige Frage. Eher nein, aber wer weiß, wozu unsere Intelligenz fähig gewesen wäre, besser wir wissen es nicht.
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Federentwicklung in der Erdgeschichte. Von Schuppen zu Schwungfedern
Frage: Wie sind die heutigen Vögel mit den Dinosauriern verwandt?
Antwort: Die heutigen Vögel gingen aus eine Gruppe kleiner, bipeder (auf zwei Beinen laufend) Dinosaurier hervor. Diese Gruppe nennen wir die Maniraptoren (Handräuber). Diese Gruppe war nach heutigem Wissen schon befiedert, aber nicht flugfähig.
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Frage: Wie bewerten Sie Aussagen von Kryptozoologen, in entlegenen Winkeln der Erde würden heute noch Dinosaurier leben?
Antwort: Unsinn! Außer man sagt, dass Vögel Dinosaurier sind. Aber dann sind sie ja ohnehin überall.
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Frage: Welche wichtigen Fragen über Dinosaurier sind heute noch ungeklärt?
Antwort: Warum sind Krokodile und Echsen nicht ausgestorben, die Dinos aber schon? Genauer Verlauf der Feder- und Flugentwicklung? Wie war das Sozialverhalten der Dinos und was wissen wir wirklich über die Körpertemperatur der urzeitlichen Wesen? Stichwort: mögliche Warmblütigkeit? Die meisten Abzweigungen in den Dinosaurier-Stammbäumen sind noch nicht genau festgelegt. Weitere Funde werden uns in den nächsten Jahrzehnten aber weiterhelfen. Siehe Funde aus China, Spanien und Argentinien. etc.
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Frage: Was fasziniert die Menschen an den Dinosauriern?
Antwort: Die Größe, das Verborgene, die Ungewissheit und vieles mehr. Aber jeder Mensch hat einen anderen Zugang von Kindheit auf.
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Frage: Was begeistert Sie selbst an Dinosauriern?
Antwort: Vor allem die enorme Größe und die noch ungeklärten Fragen zu diesem Thema.
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Helga Gridling
Frage: Wie kamen Sie und Frau Gridling auf die Idee, ein Buch über Dinosaurier zu schreiben?
Antwort: Frau Mag. Gridling, eine Lehrerin, hatte mit Ihren Schülern die Idee nach einem Schulprojekt über die Dinosaurier. So kam ich dann ins Spiel, um ein Buch über die Dinosaurier zu machen, wie es in dieser Form noch nicht existiert.
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Frage: Was unterscheidet Ihr Buch von anderen Werken über die Dinosaurier?
Antwort: Es ist nicht nur eine Abhandlung von Namen und Daten. Es ist für jeden leicht verständlich und auf dem neuesten Stand des Wissens. Es ist eingebettet in Grundlagenwissen von Fossilien, historischen Einblicken, der Erdgeschichte, der Zeitmessung, dem Sozialverhalten sowie der Geburt und dem Aussterben der Dinos.
In einem zweiten Abschnitt beantwortet das Buch die 50 meistgestellten Fragen zum Thema Leben, Aussehen und Sterben der Dinosaurier.
Es ist so ein kompaktes, spannendes und manchmal lustiges Werk besonders für Schüler, Lehrer und Journalisten.
Also für jeden, der sich mit den Dinos zu befassen beginnt, aber auch für schon fortgeschrittene Laien.
Wir haben versucht, auf 100 Seiten, 100 Bilder, die teilweise so noch nie gezeigt wurden, zu präsentieren. Dabei fehlen weder Stars wie Tyrannosaurus rex, Diplodocus und Triceratops noch neueste Schliffbilder von Dino-Kot und Knochen von T. rex.
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Frage: Schildern Sie in Ihrem Buch besonders spektakuläre neue Erkenntnisse über Dinosaurier aus jüngster Zeit?
Antwort: Wir sind auf dem neuesten Stand des Wissens und haben in unserem Buch durch meine Kontakte schon Daten, die in der Breite erst veröffentlicht werden.
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Frage: Werden im Buch „Akte Dinosaurier“ auch Funde aus Österreich, Deutschland und der Schweiz erwähnt?
Antwort: Funde aus Österreich (Struthiosaurus austriacus), der Schweiz und Deutschland sind auch abgebildet und beschrieben. Beispiele wie Fährtenplatten aus der Schweiz oder der deutsche Europasaurus seien hier genannt.
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Frage: Sind im Naturhistorischen Museum Wien, an dem Sie als Paläontologe wirken, eindrucksvolle Dinosaurier zu bewundern?
Antwort: Dinosaurier am Naturhistorischen Museum sind zum Beispiel: Tyrannosaurus rex (Skelett und Modell des Kopfes), Diplodocus, Allosaurus, Iguanodon, Triceratops, Protoceratops, Psittacosaurus und viel mehr.
Daneben finden sich eine Vielzahl von Fischsauriern (Stenopterygius), Flugsauriern (Pteranodon, Rhamphorhynchus, Pterodactylus, Ornithocheirus)und Meeresechsen (Platecarpus, Dolichorhnchops und Mosasaurus). Daneben die größte fossile Schildkröte Archelon der Welt und Riesenkrokodile wie Steneosaurus.
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Das Buch „Akte Dinosaurier – Den Riesenechsen auf der Spur“ von Alexander Lukeneder und Helga Gridling umfasst 100 Seiten, 100 Abbildungen, hat die ISBN 978-3-902406-50-7 und kostet 22,90 Euro, Seifert Verlag Wien. Erhältlich bei Amazon und Thalia etc.
Bestellung unter anderem bei:
http://www.amazon.de/Akte-Dinosaurier-Alexander-Lukeneder/dp/390240650X/ref=sr_1_1/028-8446780-3526117?ie=UTF8&s=books&qid=1194258289&sr=1-1
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Die Fragen für das Interview stellte der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst, Betreiber des Weblogs http://dinosaurier-news.blog.de
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