Freitag, 8. Januar 2010

Schlechte Noten für Wissenschaftsberichterstattung














Interview mit dem Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst

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Frage: Wie steht es um die Wissenschaftsberichterstattung in Deutschland?

Antwort: Die großen überregionalen Tageszeitungen berichten nach wie vor vorbildlich über wissenschaftliche Themen. Sie leisten sich eine eigene Wissenschaftsredaktion und präsentieren regelmäßig an bestimmten Wochentagen ihre Wissenschaftsseiten. Bei regionalen und lokalen Tageszeitungen dagegen gibt es oft weder einen Wissenschaftsredakteur noch eine Wissenschaftsseite. Dort erscheinen fast nur Berichte oder Meldungen von Nachrichtenagenturen wie dpa oder ddp auf der Seite Vermischtes, Aus aller Welt, Kultur oder Feuilleton. Bei den Fernsehsendern und Rundfunksendern gibt es ebenfalls gravierende Unterschiede. Einige Sender informieren lobenswert über Wissenschaft, viele andere dagegen präsentieren fast nur Klamauk und haben für seriöse Informationen weder Personal noch Publikum.

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Frage: Wie kommen Sie zu dieser teilweise negativen Einschätzung?

Antwort: Wenn Nachrichtenagenturen wie dpa oder ddp über wissenschaftliche Themen berichten, wird ein großer Teil davon den Lesern, Hörern oder Zuschauern verschwiegen. Entweder sind der Platz oder die Sendezeit nicht ausreichend oder der Redakteur bzw. die Redakteurin hat kein Interesse an Wissenschaft oder keine Ahnung. Freie Journalisten/innen, die honorarpflichtige populärwissenschaftliche Artikel bei Tageszeitungen anbieten, stoßen oft auf großes Desinteresse. Entweder hat der Verleger den Honorar-Etat unzureichend ausgestattet – nach dem Motto „Qualität kann man nicht messen“ – oder es gibt im entsprechenden Blatt zu wenig Platz für Wissenschaftsthemen oder der angesprochene Redakteur bzw. die Redakteurin hat gewisse Vorlieben bzw. Vorurteile. Autoren/innen, die Bücher über wissenschaftliche Themen schreiben und hoffen, dass auf ihr Werk im Lokalblatt hingewiesen wird, werden oft enttäuscht. Ich selbst habe schon oft erlebt, dass meine Bücher in Frankfurt, München, Hamburg, Berlin, Wien und Zürich erwähnt werden, nicht aber in den Blättern, die an meinem Wohnort erscheinen.

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Frage: Kommen in der Wissenschaftsberichterstattung bestimmte Fehler sehr oft vor?

Antwort: Ja! Zum Beispiel werden in Tageszeitungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen häufig Archäologie und Paläontologie verwechselt. Archäologen befassen sich nämlich nur mit Hinterlassenschaften früherer Menschen, Paläontologen dagegen mit Resten urzeitlicher Pflanzen und Tiere, den so genannten Fossilien. Was Letztere sind, weiß offenbar nicht jeder: Der Ressortleiter einer großen überregionalen Tageszeitung hielt während eines Gespräches mit mir Fossilien für Prägedrucke. Manche Journalisten/innen kennen auch nicht den Unterschied zwischen Wetter und Klima. Solche Beispiele könnte man in Hülle und Fülle aufzählen.

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Frage: Hat die teilweise schlechte Wissenschaftsberichterstattung in Deutschland negative Folgen?

Antwort: Natürlich! Viele Diskussionen – zum Beispiel über den Klimawandel – werden bar jeder Sachkenntnis geführt. Erstaunlich viele Menschen sind auch sehr technikfeindlich und wollen anscheinend zurück in die Steinzeit, ohne zu wissen, wie hart und grausam es damals zuging. Andere wiederum, mögen nur Dinge, die bunt blinken, und haben nicht das geringste Interesse an Natur und Wissenschaft. Es soll sogar Menschen im Lande geben, die kein einziges Buch – nicht mal ein Telefonbuch oder Sparbuch – besitzen.

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Ernst Probst war mehr als 30 Jahre lang Zeitungsredakteur, veröffentlichte über 30 Bücher und betreibt die Weblogs http://medien-news.blog.de und http://wissenschafts-news.blog.de - Zusammen mit seiner Ehefrau Doris veröffentlichte er das Taschenbuch "Worte sind wie Waffen. Weisheiten und Torheiten über die Medien". Dieser Titel ist bei "GRIN Verlag für akademische Texte" erschienen: http://www.grin.com/e-book/91756/worte-sind-wie-waffen-weisheiten-und-torheiten-ueber-die-medien